Schlussrede von Lord Robert Baden-Powell

Pfadfinder - Friedensträger.

Wir bedauern, dass die Tage dieser Konferenz schon zu Ende gehen, die so kurz scheinen wie nur einige Minuten.

Es ist dies eine sehr wichtige Konferenz, nicht nur wegen der Gegenstände, die verhandelt wurden, sondern auch vor allem wegen der Zeit, in der wir arbeiten. Die Welt ist in arger Not. Man könnte glauben, dass dies ein großer Nachteil für die Pfadfinderarbeit wäre, und manche meinen, dass sie heute nur das Bestehende erhalten und auf glücklichere Tage warten sollen, um das Pfadfindertum wieder vorwärtszubringen.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass das Pfadfindertum schon schwere Zeiten mitgemacht hat. In der kritischen Zeit seines Lebens, als es etwa fünf Jahre alt war, kam der große Krieg. Alle Feldmeister und älteren Pfadfinder mussten einrücken. Die Bewegung hätte damals zusammenbrechen können; doch statt zusammenzubrechen hat sie sich weiter entwickelt. Sie hat eine Lebenskraft gezeigt, die ihr weiteres Wachstum verbürgt.

Als Soldat lernt man, dass die beste Art der Verteidigung der Angriff ist, und wir müssen in diesen schweren Zeiten nicht nur standhalten, sondern uns bemühen, vorwärtszukommen, um unserer Heimat zu helfen. Es scheint mir der psychologische Moment für unsere Bewegung zu sein, ihren Wert zu erweisen. Unsere heutige Generation hinterlässt ihren Nachfolgern eine schlechte und schwere Erbschaft. Es wird die Aufgabe der nächsten Generation sein, in allen Ländern Wohlstand und Glück wiederherzustellen. Jedes Land braucht in der nächsten Generation Männer mit besserem Charakter als früher, um erfolgreich sein zu können. Darin liegt die Aufgabe für den Unterricht in allen Ländern: Mittel zur besseren Charakterbildung zu finden. Hier kann die Pfadfinderbewegung große Hilfe bringen. Wir bestehen jetzt seit 24 Jahren. Es war dies eine Zeit von Versuchen, da wir nicht genau wussten, ob unsere Methoden und Theorien in der Praxis erfolgreich sein würden. Jetzt wissen wir es; denn die Knaben, die sich seinerzeit der Bewegung angeschlossen haben, sind Männer geworden, und wir sehen, dass sie durch die Pfadfinderarbeit einen Charakter gewonnen haben, den sie sonst nie erreicht hätten. Deshalb können wir mit Vertrauen unsere Hilfe den Unterrichtsbehörden aller Länder anbieten, um den Charakter der Jugend zu bilden. Doch wir müssen uns erinnern, dass es sich nicht darum handelt, nur in e i n e m Lande Wohlstand und Glück wiederherzustellen. Die Not der Zeit hat uns alle in eine Kameradschaft des Leidens zusammengeführt. Es ist dieselbe Kameradschaft, die es ermöglichen wird, Wohlstand und Glück für die ganze Welt zurückzugewinnen, wenn wir mit gutem Willen darangehen.

Der Völkerbund leistet wertvolle Arbeit, indem er die leitenden Männer der verschiedenen Völker zusammenbringt, um die Not zu bekämpfen. Man kann jedoch die Zusammenarbeit nicht allein durch Gesetze und Verordnungen herbeiführen; der Geist der Völker selbst muss den Völkerbund unterstützen, wenn dieser erfolgreich arbeiten soll.

Man fragt sich nun, was in der Erziehung heute geschieht, um die Jugend der verschiedenen Länder in freundschaftlicher Gesinnung zusammenzubringen. Es ist wahr, dass heute schon den Knaben und Mädchen bessere Geschichten erzählt und bessere theoretische Kenntnisse beigebracht werden. Auch geschieht manches durch Korrespondenz und gegenseitige Besuche. Alles das ist sehr gut. Aber wir haben für unsere Organisation die Elemente einer viel wertvolleren Verbindung, und zwar in der Bruderschaft der Bewegung und in den gegenseitigen Besuchen, die bei den Pfadfindern und bei den Pfadfinderinnen schon in außerordentlich großem Maße erfolgen. Überall werden Freundschaften angeknüpft, weil die Knaben zu derselben Bruderschaft gehören. Außer der Charakterbildung können wir den Nationen dadurch Hilfe bringen, dass wir bessere Gefühle unter ihnen hervorrufen.

Ich möchte besonders betonen, dass die Pfadfinderinnen ganz in derselben Richtung arbeiten wie die Pfadfinder. Wir haben jetzt zusammen etwa drei Millionen Pfadfinder und Pfadfinderinnen und ihre Zahl wächst täglich. Alljährlich senden wir sie in die Welt hinaus und füllen ihre Reihen auf, um den Sauerteig für die Entwicklung der Freundschaft unter den Völkern zu bilden.

Jetzt zur Zeit der Weltkrise haben wir eine besondere Gelegenheit, unser Scherflein beizutragen, der Welt Wohlstand und Glück zurückzubringen und den Frieden zu sichern. Dazu müssen wir aber mit allen anderen Organisationen mitarbeiten, die sich um dasselbe Ziel bemühen. Ich möchte nochmals die Einrichtung der Pfadfinderinnen (Girl Guides) empfehlen, weil wir in Großbritannien die Erfahrung gemacht haben, dass die Hauptleitungen der beiden Organisationen sehr erfolgreich durch gegenseitige Beratung und Korrespondenz zusammenarbeiten. Selbstverständlich brauche ich nicht ausdrücklich zu erwähnen, dass die Zusammenarbeit mit den Unterrichtsbehörden und mit den Vorstehern der verschiedenen Kirchen von größter Bedeutung ist.

Ich möchte die Führer bitten, nicht nur "weit zu schauen", was ich immer wiederhole, sondern auch darauf zu sehen, w o h i n unsere Erziehung führen soll. Es ist zwar von den Lehrern viel geschehen, um den wissenschaftlichen Unterricht zu verbessern. Wir müssen aber die L e b e n s b e d ü r f n i s s e der nächsten Generation studieren. Der Feldmeister darf nicht zufrieden sein, eine nette Truppe mit vielen technischen Kenntnissen zu besitzen; das sind nur Vorstufen, es ist nicht das Ziel unserer Erziehung. Mit Hilfe der Elemente des Pfadfindertums muss der Charakter entwickelt werden. Die Frage, welche Charaktereigenschaften besonders notwendig sind, muss in jedem Lande von den Führern genau studiert werden. Ein Mittel dazu ist, die Charaktere der jetzigen Generation zu studieren und besonders in jedem Lande die Charaktere der jetzt führenden Männer, um zu prüfen, welche Fehler sie durchschnittlich haben, und um so herauszufinden, wie diese Fehler bei der kommenden Generation vermieden werden können. Dazu bringt man der Jugend die Eigenschaften bei, die die gegenwärtige Lage besonders verlangt.

Die Not der Zeit ist so groß, dass sie über die Kräfte der Menschen zu gehen scheint. Oft fragt man: "Warum hat Gott in die Welt den Krieg gesendet, der Glück und Menschen zerstört und so furchtbare Folgen hat?" Ist es nicht vielleicht eine Warnung, dass wir trotz unserer stolzen Erziehung nicht erzogen und nicht zivilisiert sind? Haben wir vielleicht trotz so vielen Unterrichtes noch nicht gelernt, wahre Christen zu sein. Und sind wir etwa durch die Religion nicht wahrhaft gebunden? Sind unsere Zivilisation und unsere Religion vielleich nur ein oberflächlicher Firnis, unter dem sich die primitiven Leidenschaften primitiver Menschen verbergen?

Gestern erzählte mir Graf Teleki von den Teufelsverehrern, die den Teufel nur deshalb verehren, weil er nach ihrer Meinung die Welt zehntausend Jahre lang regieren wird, während dann Christus zehntausend Jahre lang herrschen soll. Noch viertausend Jahre der Teufelsherrschaft sollen vor uns sein und, so meinen sie, der Teufel zeigt sich vor allem in der Gestalt der Selbstsucht. Darin liegt tatsächlich eine Wahrheit, dass die Selbstsucht heute weithin die Welt beherrscht, und eben darin sehe ich eine hoffnungsvolle Aufgabe für die Pfadfinderbewegung. Möge es ihr gelingen, die Frist von viertausend Jahren für die Teufelsherrschaft auf vierhundert Jahre oder noch weniger zu verkürzen. Ja, wenn es uns nur gelingt, in die Herzen, in die Ziele und in den Alltag der heranwachsenden Jugend die Hilfsbereitschaft an die Stelle der Selbstsucht zu setzen, dann haben wir viel dazu beigetragen, den Teufel aus der Welt zu vertreiben.

Ihr alle steht sicher unter dem Eindruck der Worte die der Kardinal-Erzbischof vorgestern gesprochen hat, als er sagte, was die Pfadfinderbewegung alles leistet, um den guten Willen zu wecken. Er hat Euch gesagt, dass die Pfadfinderbewegung das herbeiführt, worum wir alle beten: den Frieden und den guten Willen, die das Reich Gottes und das Reich der Liebe bedeuten.

So bitte ich Euch denn, liebe Pfadfinderbrüder, in Eure Heimat zurückzukehren und auf Eure Führer einzuwirken, dass sie den Geist des guten Willens und der Liebe in die junge Generation einpflanzen. Wenn Ihr in der Jugend starke Charaktere schafft, wird es dazu beitragen, Wohlstand und Glück in allen Ländern zurückzugewinnen. Der gute Wille soll dazu führen, dass in allen Ländern nicht nur ein Patriotismus heranwächst, der allein an die eigene Heimat denkt. Breitet sich der gute Wille unter den Menschen aus, dann wird auch der Friede unter den Völkern gesichert sein. Nicht nur um die Förderung des materiellen Wohlstandes handelt es sich, sondern um ein hohes geistiges Ideal, das in der nächsten Generation stärker sein soll als in der früheren.

Ich hoffe Euch mit mir einig, dass wir in der heranwachsenden Generation Liebe statt Selbstsucht in der Welt wecken sollen. Von Herzen wünsche ich Euch, liebe Brüder, Gottes Segen und allen Erfolg in der Arbeit mit den Knaben.

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