Der Historiker

Eugen Brosch-Fohraheim, Leiter der GeschichtsWerkstatt, beleuchtet in seiner Kolumne "Der Historiker" im Museumsjournal ab 2024 jede Ausgabe ein historisches Thema. Hier gibt es den Beitrag in Eugen's Originalfassung und in Originallänge mit Anmerkungen zum Nachlesen!

Sonnenland

Mitte der 20er-Jahre begann sich auch die katholische Kirche mit der Pfadfinderidee anzufreunden. Aus einzelnen katholischen Pfadfindergruppen, die im „Reichsbund der katholisch deutschen Jugend“, der „Frohen Kindheit“ und dem „Österreichischen Pfadfinderbund“ entstanden waren, wurde das „Österreichische Pfadfinderkorps St. Georg“ geformt. Gleichzeitig wurden auch erste Überlegungen angestellt, wie man dieses Erziehungssystem auch für Mädchen anwenden könnte. Das wichtigste Hindernis zur Verwirklichung war aber der Vorbehalt des hohen Klerus gegen das Pfadfindertum, das man in seiner praktischen Arbeit für unweiblich hielt. Als einzelne katholische Organisationen, wie z.B. die „Frohe Kindheit“ in Wien-Donaustadt, Pfadfinderinnengruppen gründeten, sah man sich von kirchlicher Seite zum Handeln gezwungen, um weiteren Wildwuchs zu verhindern. Von sozialdemokratischer Seite wurde das mit Argwohn betrachtet und man unterstellte das „Kampfziel die Arbeiterschaft niederzuringen“. [1]

 

1930 wurde mit der „Österreichischen Mädchengilde Sonnenland“ ein weibliches Pendant zu den „Georgs-Pfadfindern“ errichtet und im 1920 errichteten „Reichsverband der katholischen Mädchenvereine Österreichs - (Diözesanverband Wien)“ organisatorisch eingebettet. Vereinsrechtlich gesehen war jede Sonnenland-Gruppe ein eigener Verein, der nur im Bereich der jeweiligen Pfarre tätig war, die über die Zugehörigkeit zum „Ring der Sonnenland-Gruppen“ mit dem Verband „Sonnenland“ verbunden war. Die Führung des „Sonnenlands“ lag in der Hand von Leopoldine Schwarz als Bundesführerin[2], P. Hartmann Staudacher OFM als Bundeskurat[3] und Angela Laszlo als Kommissar für Bundesschwestern und Freundinnen[4]. Die Sonnenland-Gruppen erhielten neben einer römischen Ziffer den Namen der zugehörigen Pfarre, z.B. „I – Donaustadt“. 1931 sind Gruppen in Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg und Wien nachweisbar. Wie es mit dem Sonnenland in den 30-Jahren weiterging, ist dzt. nicht bekannt. In der Zeitschrift „Frohes Schaffen“ des „Reichsverbandes“ wird das „Sonnenland“ zuletzt im Sommer 1933 ausdrücklich erwähnt[5]. Tatsache ist jedoch, dass in Führerkursen der „Hauptstelle weibliche Jugend der Katholischen Aktion“ auch typische Pfadfinderthemen unter dem Titel „Fahrtenkunde“ behandelt wurden.[6] 1937 dürfte die Eingliederung in das „Katholische Jungvolk“ der „Katholischen Aktion“ erfolgt sein. [7]

 

Mit dem Begriff „Mädchengilde“ wollte man sich einerseits am englischen Begriff für das weibliche Pfadfindertum - „Guiding“ - anlehnen und andererseits aber auch deutlich von den Pfadfindern abgrenzen. Die Sonnenland-Gruppen gliederten sich altersmäßig in „Sonnenkinder“ (7 bis 12 Jahre), „Sonnenjugend“ (12 bis 17 Jahre) und „Sonnenländerinnen“ (ab 17 Jahre)[8]. Innerhalb der Sonnenland-Gruppen liefen die Fäden beim geistlichen Präses, bei den „Georgspfadfindern“ nannte man diese Funktion Kurat, zusammen. Neben den Gruppenmitgliedern gab es noch die „Bundesschwestern“ [9] - Einzelmitglieder, die in Pfarren wohnten, wo es keine Sonnenland-Gruppe gab - und die „Freundinnen“[10] - unterstützende Mitglieder – die direkt von der Bundesleitung betreut wurden. Das Abzeichen des „Sonnenlands“ war das sogenannte „Sonnenkreuz“, dessen genaue Form unbekannt ist, welches sich wohl am Abzeichen des „Reichsverbandes“ anlehnte.

 

Die in den Jahren 1931/32 von „Sonnenland“ herausgegebene Zeitschrift „Bildungsbriefe der Österreichischen Mädchengilde Sonnenland“ stellt die wesentlichste Quelle über die Tätigkeit der „Sonnenländerinnen“ dar. Von den „Bildungsbriefen“ erschienen insgesamt nur 6 Ausgaben, die auch Berichte über die Tätigkeit der „Sonnenland-Gruppen“ enthielten. 1932 wurde die Zeitschrift „selbstständig“ [11] und in „Heimstunde“ umbenannt. Eine Broschüre unter den Titel „Das Bekenntnis der österreichischen Mädchengilde Sonnenland“ wurde gedruckt, in welcher der Stoff für das Versprechen erforderlichen Erprobungen dargestellt wurde[12].

 

Der Weltverband der Pfadfinderinnen WAGGGS nahm bereits damals die „Mädchengilde“ als Pfadfinderinnen wahr und stellte Überlegungen an, wie man diese Bewegung, die binnen Kürze zahlenmäßig – 1931 gab es schon 700 Sonnenländerinnen - dem international anerkannten „Österreichischen Pfadfinderinnenbund“ (=OPfB) – 1930 hatte der ÖPfB rd. 120 Mitglieder in 4 Gruppen[13] - hinter sich ließ, einbinden könnte. Die Ansprechpartnerin für WAGGGS war Anny Weinzettl, einer Wölflingsführerin aus Neunkirchen[14], die in der Folge 1931 Gespräche mit ÖPfB aufnahm, die aber schließlich 1932 endgültig scheiterten [15].

 

Schlussbemerkungen: Einige Zeitzeugen, wie Luitgard Kerschbaumer (Wien-Donaustadt), ließen keinen Zweifel daran, dass es sich beim „Sonnenland“ um Pfadfinderinnen handelte und sie bis 1938 bestanden. Offensichtlich verwischte sich aber dieser Eindruck für Außenstehende und Jugendliche aber je weiter die Gruppe von einer Pfadfindergruppe entfernt war. Ob und welcher Zusammenhang mit der 1932 gegründeten „Sonnenjugend“ besteht, ist unbekannt. Nur so lässt sich erklären, dass ehemalige Mitglieder der Gruppe „XII – Petronell“ den Zusammenhang mit den Pfadfinderinnen nicht herstellen konnten. Für ergänzende Informationen ist der Autor dankbar, da z.B. selbst die Österreichische Nationalbibliothek weder über ein Exemplar der „Bildungsbriefe“ Folge Nr. 7-8/ November/Dezember 1931 noch der Broschüre „Bekenntnis …“ verfügt.

 

 

 

[1]     Erich Klupp: „Katholische Erziehung“, Seite 40, Wien 1929

[2]     „Bildungsbriefe des Österreichischen Mädchengilde Sonnenland“, Folge 1 – Mai 1931, Wien 1931, Seite 1

[3]     „Bildungsbriefe des Österreichischen Mädchengilde Sonnenland“, Folge 1 – Mai 1931, Wien 1931, Seite 2

[4]     „Bildungsbriefe des Österreichischen Mädchengilde Sonnenland“, Folge 1 – Mai 1931, Wien 1931, Seite 2/3

[5]     „Frohes Schaffen – Mitteilungsblatt des Mädchenverbands der Erzdiözese Wien und Burgenland“, 3.Jahrgang, Folge 6/7 – Juni/Juli 1933, Wien 1931, Seite 49-52

[6]     „Frohes Schaffen – Mitteilungsblatt des Mädchenverbands der Erzdiözese Wien und Burgenland“, 6.Jahrgang, Folge 7/8 – 1936, Wien 1936, Seite 64

[7]     „Katholische Aktion“, in „Die Heimstunde für das moderne österreichische Mädchen“, V. Jahrgang, Folge12, Seite 178/179“, Wien 1937

[8]     Satzungen des Vereins „Sonnenland“ in der Pfarre Alservorstadt, Kopie in Besitz des Autors

[9]     „Von unseren Bundesschwestern“, in „Bildungsbriefe des Österreichischen Mädchengilde Sonnenland“, Folge 3/4 – Juli/August 1931, Wien 1931, Seite 27

[10]   „Für unsere Freundinnen“, in „Bildungsbriefe des Österreichischen Mädchengilde Sonnenland“, Folge 3/4 – Juli/August 1931, Wien 1931, Seite 28/29

[11]   „Berichte“, in „Heimstunde für das moderne österreichische Mädchen“, Folge 2 – April 1932, Wien 1932, Seite 26

[12]   „Wie wird man Bundesschwester“, in „Bildungsbriefe des Österreichischen Mädchengilde Sonnenland“, Folge 3/4 – Juli/August 1931, Wien 1931, Seite 27

[13]   WAGGGS-Formblatt für den Report 1929, im „Karton Austria“ des Archivs von WAGGGS im Olave Center London

[14]   Schreiben von Anny Weinzettl an WAGGGS, datiert 13.5.1931, im „Karton Austria“ des Archivs von WAGGGS im Olave Center London

[15]   Schreiben von Anny Weinzettl an WAGGGS, Dame Furse, datiert 5.4.1932, im „Karton Austria“ des Archivs von WAGGGS im Olave Center London

 

Zur Übersicht