Der Historiker

Eugen Brosch-Fohraheim, Leiter der GeschichtsWerkstatt, beleuchtet in seiner Kolumne "Der Historiker" im Museumsjournal ab 2024 jede Ausgabe ein historisches Thema. Hier gibt es den Beitrag in Originallänge mit Anmerkungen zum Nachlesen!

Erster überraschender Marketingerfolg

1913 war der 83-jährige Kaiser Franz-Joseph I. die Klammer der auseinanderstrebenden Nationen der Habsburger-Monarchie mit ihren über 60 Mio. Einwohnern und Wien war „k.u.k. Reichshaupt- und Residenzstadt“. Am Balkan blieb die Lage nach zwei „Balkankriegen“ explosiv.

 

Im Herbst 1912 hatte Emmerich „Papa“ Teuber mit der praktischen Pfadfinderarbeit in Wien-Erdberg begonnen und konnte das Pfadfinderkorps bis Frühjahr 1913 auf insgesamt 3 Gruppen, heute würde man von Abteilungen sprechen, ausbauen. Diese trugen die Namen „Habsburg“, „Lothringen“ und „Österreich“. Unermüdlich versuchte Emmerich Teuber die Pfadfinderidee durch Vorträge bekannt zu machen, nutzte dazu auch seine persönlichen Beziehungen zu Zeitungen, wie dem „Neuen Wiener Tagblatt“.

 

Durch den Ausbau der Südbahn war die Adria in das Bewusstsein vieler Österreicher gerückt verbunden mit der Sehnsucht diese Teile der Monarchie zu besuchen, was sich viele aber nicht leisten konnten. Der „Österreichische Flottenverein“ organisierte in der Zeit von 3.5. bis 5.10.1913 die „Adria-Ausstellung“ im Prater. Neben den Räumlichkeiten der „Rotunde“ gab es entlang einer künstlich angelegten Wasserstraße Bauten, die an die diversen Städte an der Adria erinnerten. Diese Ausstellung verzeichnete mit 2,1 Mio. Besucher einen riesigen Publikumserfolg.

 

Das „Ausstellungskomitee“ hat mit Unterstützung der Baufirma Kupka & Orglmeister[1] - „dank der Intervention des Oberleutnant Emmerich Teuber“[2] - den Pfadfindern „links vom Südportal“[3] „einen sehr schönen und geeigneten Platz kostenlos zum Bau eines Blockhauses überlassen. Das Blockhaus enthält außer der stilgemäßen Einrichtung auch eine große Anzahl von Modellen, zum weitaus größten Teil von den jungen Pfadfindern mit den primitivsten Behelfen angefertigt. Außerdem enthält es Pfadfinderliteratur, Bücher, Zeitschriften, Tabellen usw., welche die weltumfassende Pfadfinderbewegung vor Augen führen.“.[4] Das Blockhaus selbst wurde von zwei Pfadfindern errichtet.[5]

 

Die Eröffnung am 3. Mai 1913 nahm Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand persönlich vor und besichtigte anschließend die Ausstellung. In der „Dalmatischen Altstadt“ nahmen etwas 30 Wiener Pfadfinder in „schmucker Sommer- und Winteradjustierung“ Aufstellung. „An der Spitze standen Oberst v. Schößler, Oberleutnant Schuch, Leutnant Toffler, Baron Morsey und Ingenieur Fadenhecht. Oberst v. Schößler erstattete dem Erzherzog Bericht über das Korps.“[6] In weiterer Folge besichtigte der Erzherzog persönlich die „Pfadfinderausstellung“.[7] Aufgrund von Presseberichten erfuhr „Papa“ Teuber, der auf Kur weilte, von den Aktivitäten seiner Pfadfinder in Wien und begab sich sofort nach Wien, um vor Ort aktiv werden zu können..

 

Am 27.Mai brach ein Feuer im „Derwisch-Lager, wo sich die Derwische als Feuerfresser und Fackeltänzer produzieren“[8] aus. Bis die „Ausstellungsfeuerwehr“ eintraf, arbeiteten die benachbarten Pfadfinder an der Erstickung der Flammen, sodass der Brand binnen Kürze gelöscht werden konnte.

 

Es gab aber auch pfadfinderische Höhepunkte. So konnten „Kameraden aus dem ‚Reich‘ – Sachsen-Altenburger Gymnasiasten – bei einem Besuch[9] begrüßt werden. Die Herren der Oberleitung des Pfadfinderkorps begrüßten sie dort und zeigten ihnen „die interessante Pfadfinderexposition“. [10] Am 26. August 1913 besuchten „Pfadfinder und Pfadfindermädchen aus Biala“[11] die Wiener Pfadfinderbrüder. Das überraschendste Ergebnis war, dass erstmals Kontakte mit den ihnen bis dahin unbekannten Pfadfindern des „Pfadfinderkorps St.Georg – Favoriten“ geknüpft werden konnten.

 

Die „Jury der Ersten österreichischen Adriaausstellung“ hat „dem Pfadfinderkorps für dessen so nett ausgeführtes Blockhaus die goldene Medaille zuerkannt.“ Überdies wurde in einem Schreiben an die Vereinsleitung folgendes festgehalten: „Der Schluss der Adriaausstellung gibt uns den die willkommene Gelegenheit, den braven Pfadfindern für ihr mustergültiges Verhalten und für die werktätige Unterstützung die sie im Ordnungsdienst an Sonntagen und während festlicher Veranstaltungen in unserer Ausstellung geleistet haben, unsere vollste Anerkennung und unseren Dank auszusprechen. Es war eine Freude, die schmucken Jungen in ihrer kleidsamen Tracht zu sehen.“[12]

 

Resümee: Die Adria-Ausstellung bot dem Wiener Pfadfinderkorps eine einmalige Gelegenheit sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren, die es hervorragend nutzte. Erstmalig präsentierten sich die Pfadfinder in der „englischen Tracht“ – de facto ein hellbraunes Hemd mit Brusttaschen („Sommeradjustierung“) - und nicht mehr in den Turnern nachempfundenen Lodenanzügen („Winteradjustierung“), die sich durchsetzen sollte.

 

[1] Neues Wiener Tagblatt vom 13.Mai 1913, Seite 11, Wien 1913

[2] Illustriertes Wiener Extrablatt vom 20.Mai 1913, Seite 9, Wien 1913

[3] Neues Wiener Tagblatt vom 12.August 1913, Seite 46, Wien 1913

[4] Illustriertes Wiener Extrablatt vom 20.Mai 1913, Seite 9, Wien 1913

[5] Neues Wiener Tagblatt vom 13.Mai 1913, Seite 11, Wien 1913

[6] Neue Freie Presse vom 4.Mai 1913, Seite 16, Wien 1913

[7] Manfred Fux: Geschichte der österreichischen Pfadfinderbewegung, Seite 51, Wien 1970

[8] Illustriertes Wiener Extrablatt vom 28.Mai 1913, Seite 9, Wien 1913

[9] Die Zeit vom 27. Juli 1913, Seite 8, Wien 1913

[10] Deutsches Volksblatt vom 27. Juli 1913, Seite 10, Wien 1913

[11] Illustrierte Kronenzeitung vom 28. August 1913, Seite 3, Wien 1913

[12] Deutsches Volksblatt vom 28.10.1913, Seite 26, Wien 1913

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